Bibliografie (Kataloge) / Texte | |
2006 | Hannelore Pichlbauer / Edition Copernicus "Texte zur Austellung" Autor: Hermann-Josef Röllicke, "Erbarmen und Verwandlung" ISBN 3-89998-088-3 |
2005 | Künstlerbund Baden-Württemberg |
2004 | Podium Kunst, Schramberg |
2003 | Kunstverein Speyer, "Wilh. Loth und seine Schüler" (Textauszug) |
2002 | Museumsgesellschaft Ettlingen, PAMINA-Kunstpreis |
2001 | Künstlerbund Baden-Württemberg |
2000 | Ges. der Freunde Junger Kunst, Baden-Baden, "KunstKnast" |
1999 | Künstlerbund Baden-Württemberg |
1998 | Künstlerbund Baden-Württemberg |
1997 | Städt. Galerie Tuttlingen, "Im Quadrat" |
1996 | Städtische Museen Heilbronn, "Plätze + Platzzeichen" (Textauszug) |
1993 | Stipendiaten der Kunststiftung Baden-Württemberg |
1986 | Stadt Gaggenau, Metall-Symposium |
1984 | Stadt Troisdorf, Bildhauersymposium |
1984 | Staatl. Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe |
1981 | Haus der Kunst, München Westdeutscher Künstlerbund, "Zeichnen '81" |
1980 | Haus der Kunst, München |
1979 | Studenten der Staatl. Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe |
Katalog-Buch "LOTH UND SEINE SCHÜLER"
Gert Reising / Kunstverein Speyer 2003
Bei Wilhelm Loth musste man nicht immer einer Meinung sein, da konnte man diskutieren, sich auch streiten, wenn die Voraussetzungen stimmten, die Einigkeit darüber, was Bildhauerei vermag und was nicht. Denn sie ist immer dreidimensional, dies selbst in der Zeichnung, sie ist immer dem Körperlichen verbunden, selbst wenn sie gänzlich abstrakt vorgetragen wird. sie hat immer mit dem Zugriff des Betrachters zu rechnen, mit den Augen, mit den Händen, mit dem Körper, mit dem Gefühl, fast mit allen Sinnen, da ist sie der Architektur näher als der Malerei mit deren Aussparung des Menschen, de die Bildhauerei so betont wie die Malerei. Mit anderen Worten, Bildhauerei beschäftigt sich mit der Darstellung der beweglichen wie bewegten Charakterisierung des Menschlichen. Das ist keine leichte Aufgabe.
Hannelore Pichlbauer ist Bildhauerin, und sie hat eine künstlerische Biografie zu bieten. Sie ist auch Zeichnerin und wurde eine ebenso genaue wie freie Beobachterin des menschlichen Körpers und seiner Umgebung. Es ist das eine, Körper zu sehen, und das andere, ihn zu spüren, zu fühlen, zu umfahren und Auge und Sinnen und Sehnen auf dem Blatt zu verbinden. Hier ist es die Feder, mit der Hannelore Pichlbauer den Körper aus seiner Umgebung herausholt, als wüchse er aus einer schattenhaften Folie heraus, und in dieser Freiheit geht sie als Anatomin wie als Bildhauerin vor: sie modelliert den Körper aus der Fläche in die Plastizität hinein und zeigt zugleich die Zerbrechlichkeit des Menschen in einer mechanischen Metapher. Mag die Zeichnung "Kontakte III" (Abb. S. 53) aus dem Jahre 1977 ein frühes Werk sein, so weist sie in jene Richtung, in der sich Hannelore Pichlbauer bewegt und weiter bewegen wird: modellhaft die menschliche Situation im Raum zu ergründen und zu begründen. Da mischt sie Leichtes und Schweres zu einem zeichenhaften Bild on Sinnlichkeit wie Brüchigkeit der Existenz.
Den Körpern und ihrem Umraum nachzuspüren, ist eine der Grundfragen der Bildhauerei. Und der Umraum ist zweierlei, die Aura des Körpers, aus dem Körper heraus, aus Knochen, Fleisch, Blut und Seele ein eigener zu werden, der sich ereignet und er selbst ist, und da ist der Raum, in dem er sich mit dem Betrachter , dem fremden Körper oder gar den anderen Körpern befindet, ein Thema, das Hannelore Pichlbauer 1988 in "Hatsugen II" (Abb. S.55), einer Stahlplastik, formuliert hat. Es ist die Sphaira, die ganze Erde, auf der sich jene Existenzen tummeln, die ihre Körperlichkeit als Zeichen zu erkennen geben. Sie sind fühlbar, es ist eine tastbare Welt voller Blinder, die erst im Abstand als ganze Welt erkennbar werden, sie kreisen um sich, sind sich nahe und fern zugleich, selbst so stofflich wie kantig wie scharf und in ihrer Haut sinnlich und hart, und in ihrem Kreisen auf der Erde werden sie als Ganzes.
Die Welt der Bildhauerei ist ein modellhaftes Leben, ein zeichenhaftes Leben, und daher vermengen sich bei Hannelore Pichlbauer leicht jene Elemente, die als alte, als klassische Bildhauerei erkennbar werden: Da gibt es einen Sockel, das gibt es eine Plinthe, auf der die Körper in ihrem Umraum sind und sich als Gruppe miteinander bewegen. jenes Auftragen von Standbein und Spielbein, den ganzen Körper bis zum Kopf als Einheitszeichen in Beweglichkeit wie Bewegung - und was man nicht sieht, sollte man tasten, spüren, um sich dort zu fühlen, wo der Tanz in den Wellen spielt.
Das ist nicht mehr nur die Lehre Wilhelm Loths, aber das wirkt wie eine Hommage an den großen Menschenfreund, dem es so sehr um die Emanzipation des Leibes als leibseelische Einheit ging. Und es wird Zeit, wegzugehen, den eigenen Weg zu formulieren, aus dem heraus Hannelore Pichlbauer allein sie selbst ist. aber das ist sie doch schon längst mit solchen Werken deren Sinnlichkeit weniger abbildliche, deren Körperlichkeit abstrakter und deren Sozietät ebenso real ist. Und es scheint so, als würde sie gänzlich gegenstandsfern, wenn sie mit Werken wie "Einsicht" (Abb. S. 54) von 1989/91 eine eherne Platte vor den Betrachter stellt, als fehle das Denkmal. Ja, denk mal an, das ist nicht gestürzt, da sind unendlich viele Bewegungen umeinander und mit- wie gegeneinander, eine spielerische Auseinandersetzung mit Gesellschaft, und: dieses Werk mutet an wie eine Platte, aber, diese minimalisierte Form von Bildhauerei behält ihr Recht durch die individuelle Bearbeitung eines jeden Teils. Da ist jedes Stück sein Inneres, das statisch wie plastisch wirkt, aus seinem Innern heraus atmet und eine Haut hat, und sich alle Elemente antipodisch anziehen wie wegbewegen, ein Spiel unterschiedlicher Systeme, die sich modellhaft bedingen, sie selbst sein wollen und wissen, es geht nur miteinander. Das ist die starke Kraft Hannelore Pichlbauers, ihre künstlerische Verantwortung, aus sich selbst heraus allein und für andere gemeinsam zu sein.
"STAHLZHART"
zu den Arbeiten von Hannelore Pichlbauer
Galerie am Schloss, Bad Bergzabern, 2001
Als "Prozess von Verdichtung", als "Aufladen einer Beziehung" bezeichnet Hannelore Pichlbauer ihre Arbeit, "bis das Werk mir, bzw. dem Betrachter, als Wesen, nicht als Botschaft gegenübertritt."
Leise, eher unauffällig zeigen sich klare Geschlossenheit und zentrierte Offenheit in den Arbeiten von Hannelore Pichlbauer, gepaart mit einer intensiven Anziehungskraft.
War die Figur zentrales Element der früheren Arbeiten, so tritt dem Betrachter der schlicht erscheinenden Stahlskulpturen, die sich über ein vielschichtiges Innenleben offenbaren, und der Transparenz und Konzentration ausstrahlenden Zeichnungen der letzten Jahre als Wesensmerkmal das Schweigen oder die Stille entgegen. Präsent nicht als Leere, sondern energiegeladen vibrierend, das Gefühl enormer innerer Dynamik eines im Geheimniszustand verharrenden Unbekannten vermittelnd.
Der kreative Prozess - gestaltlos Vorhandenem und seinem inneren Zusammenspiel (materielle) Form und Ausdruck zu geben - ist für Pichlbauer gleichzeitig ein Prozess der Selbstentdeckung, inspiriert von dem Verlangen, eine persönliche und ganz besondere Beziehung einzugehen zu jenem Unbekannten als einem intimen Part von Leben. In diesem Sinne entstehen ihre Arbeiten weniger als Kunst-Objekte denn als Kommunikationsmittel mit dem Unbekannten, sind abfall-Produkte auf einem Weg.
Pichlbauer's abstrakte Bildsprache entspringt jedoch nicht ausschließlich dem eigenen Inneren, sondern ist gleichzeitig Ergebnis einer Vielzahl von Dialogen mit der äußeren Welt. Hierdurch bleibt auch hinter den häufig benutzten, strengen geometrischen Formen PERSON spürbar, eine Person, die beides zu vereinen trachtet: Impuls zu Chaos und Leidenschaft, zu Ordnung und Stille, Körperlichkeit und Spiritualität.
Die strenge Geometrie von Quadrat oder Rechteck scheint durchdrungen von vibrierendem, pulsierendem Leben, pochendem Gefühl - die Härte des Stahls hindert nicht, mit kaum glaublicher Zartheit dessen ganze Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeit sprechen zu lassen, das Material Zustand werden zu lassen. Umgrenzt in der Form des Quadrates sind die unendliche und undurchdringliche Tiefe des Schwarz und vermeintlich zurückweisendes, in sich geschlossenes Weiß nicht mehr nur Farbpole, sondern der Raum aller Möglichkeiten, die Summe allen Seins.
Das Leben ihrer Werke ist nicht äußerer Glanz, schrilles Gelächter oder gehetztes Jagen nach Reiz und Originalität, sondern eher jene feine, unendliche Kraft im Innern des Geschaffenen. Das Arbeiten selbst ist - mit Intensität als Weg mehr denn mit KunstWerk als Ziel - die Suche nicht nach Form-Enden, sondern Form-Kräften.
Trotz ihrer ästhetischen Ausstrahlung haben die Objekte und Zeichnungen weniger die Intention das Auge zu befriedigen als die, den Geist zu wecken.
Eindrucksvoll fremd, einladend, rationalen Interpretationen trotzend.
Katalogbuch PLÄTZE UND PLATZZEICHEN
Städtische Museen Heilbronn/Museum Würth, 1996
(. . .)
Auch Hannelore Pichlbauers Platz ist als ein Denkmal der Memoria zu begreifen. Die Plastik birgt individuelle und kollektive Erlebnis- und Erfahrungsablagerungen, bildlich veranschaulicht in den sichtbaren Schichtungen der Platte. Die Totalität gelebten Lebens ist hier komprimiert und hermetisch im Kunstwerk abgeschlossen - ein Denkmal der Endlichkeit und Geschichtlichkeit menschlichen Seins. Ihr Platz wird somit zu einem Gedächtnisort vergangenen Lebens. Zugleich versinnbildlicht sie die Geschichte als Archiv oder Bibliothek, diese neuzeitlichen Informationsspeicher, in denen Dokumente zwar immer mehr in Vergessenheit geraten, dennoch aber nicht verloren gehen können. Auch im kulturellen Gedächtnis jedes Einzelnen bleiben die Spuren aller "Einschreibungen" bewahrt und können durch den Prozess des Erinnerns aktualisiert werden.
Neben der Revitalisierung tradierter, mit dem Thema "Kultplatz" verbundener Konnotationen, formulieren sich Möglichkeiten, das historische Material als Bauelemente zur Konstruktion eigener spiritueller Räume und imaginärer Plätze einzusetzen: Ich schaffe, ich setze fest, ich instituiere die Welt.